Natur im Nahbereich: Makrofotografie

1. So nah und doch so fern ... (oder: Motive)

Amateure der Naturfotografie interessieren sich in der Regel zunächst für solche Motive, die mit einem "Normal"-Objektiv (ca. 50 mm) bzw. einem "Standard"-Zoom (28/35–105/135 mm) unerreichbar weit weg sind: vor allem Vögel und Säugetiere. Später entdecken sie den Reiz von Landschafts- bzw. Biotopfotos, für die sie eine geeignete Weitwinkel-Brennweite längst im Gepäck haben. Der faszinierenden Welt der Kleinlebewesen jedoch widmen sich die meisten – wenn überhaupt – erst zum Schluß. Dafür gibt es Gründe:

  1. sehen viele Menschen gar nicht, was sie mit Händen greifen könnten: Es fehlt einfach der Blick für die Vielfalt der Formen und Farben der Blätter, Blüten und Samenstände, der Insekten und Spinnen und ihrer Bauten; was kleine ist, wird im eigentlichen Sinn der Wortes übersehen.
  2. ist die Welt der Klein- und Kleinstlebewesen den wenigsten Menschen namentlich bekannt: Hirsch und Reh, Fuchs und Hase, Marder und Eichhörnchen und viele unserer Vogelarten sind den meisten Naturfotografen mehr oder weniger gut bekannt, die unüberschaubar große Zahl der Blütenpflanzen, Farne und Pilze, der Insekten, Spinnen, Asseln etc. jedoch nicht, und eine Einarbeitung in diese Tiergruppen ist alles andere als einfach.
  3. scheint die nötige Kameratechnik eine unüberwindliche Hürde vor das Eindringen in die Welt des Kleinen zu setzen: Auch in der Makrostellung eines Zoomobjektivs erreicht man nicht die gewünschte formatfüllende Abbildung des Objekts, Aufnahmen aus der Hand sind meist unscharf, weil sie verwackelt wurden oder zu wenig Schärfentiefe haben, und viele Insekten und Spinnen flüchten bei Annäherung der Kamera oder wollen einfach nicht ruhig sitzen bleiben. Eine professionelle Makroausrüstung, bestehend aus Makroobjektiv, Ringblitz und Bodenstativ, aber ist ziemlich teuer ...

Tatsächlich muß Nah- bzw. Makrofotografie nicht unerschwinglich teuer sein: Schon eine Nahlinse – am besten ein sogenannter Achromat – bringt die Kamera ein ganzes Stück näher ans Objekt. Wer sich im Pflanzenreich richtig austoben möchte, kommt mit einem Bodenstativ und einem Satz Zwischenringe aus, die er/sie vorzugsweise hinter der 50 mm-Brennweite in das Bajonett des Kameragehäuses dreht. Moderne Kameras übertragen über Zwischenringe alle Funktionen vom Objektiv zum Gehäuse und umgekehrt sorgen auch im Makrobereich für die richtige Belichtung – sogar bei Blitzlicht. Hat man erst einmal Erfolg, kann man sich später immer noch eine teurere Makroausrüstung – vorzugsweise mit 100 mm, maximal 180 mm Brennweite – anschaffen, um z. B. Insekten nicht allzu sehr auf den Chitinpanzer rücken zu müssen; der oder die Zwischenringe waren dann nicht vergeblich angeschafft, da sie sich auch hinter einem Makro- oder Teleobjektiv weiter "gewinnbringend" einsetzen lassen.

2. Verfahrenstechnik

Nahaufnahmen sind nach einer praktikablen Definition solche Fotos, die mit Nahlinsen oder zusätzlichem Auszug (z. B. Zwischenringen) gemacht wurden – aus einer kürzeren Distanz also, als ein Objektiv mit seiner kürzesten Entfernungseinstellung normalerweise erlaubt. Beim 50-mm-Normalobjektiv sind das ca. 45 cm. Makrofotografie meint meist Nahaufnahmen ab dem Abbildungsmaßstab 1 bzw. 1:1, bei dem das Motiv (Bildausschnitt) genauso groß ist wie das verwendete Filmformat.
    Insektenfotografie ist mehr oder weniger Makrofotografie: Sie wird meist rund um den Abbildungsmaßstab 1 (1:1) betrieben, etwa von 0,5 (1:2) bis 2 (2:1); nur Detailaufnahmen erfordern noch größere Maßstäbe und damit letztendlich den Einstieg in die Mikrofotografie.

Scharfstellen: Da der Makrofotograf vorher weiß, welche Pflanzen oder Tiere er/sie mit welchem Maßstab aufnehmen möchte, kann er/sie den notwendigen Auszug vor der Aufnahme montieren bzw. einstellen: Für Maßstäbe von etwa 0,5 bis 0,6 sind hinter dem Normalobjektiv ein oder zwei Zwischenringe von 25 bis 30 mm Gesamtlänge zu montieren, während an einem echten Makro-Objektiv der verlängerte Schneckengang zur Marke 1:2 oder 1:1,5 gedreht wird. Mit derart voreingestelltem Abbildungsmaßstab nähert sich der Fotograf dann langsam dem Motiv; sobald es im Sucher scharf erscheint, löst er entweder sofort aus oder bringt die Kamera auf einem Bodenstativ in Position, um die Feinfokussierung am Makro-Objektiv vorzunehmen und ein Verwackeln zu vermeiden. Für Objektive mit manueller Fokussierung, aber auch für solche mit Autofokus hat dieses traditionelle Verfahren Vorteile:

  1. hat man meist keine Zeit, den langen Schneckengang eins manuellen Objektivs so lange zu drehen, bis das Objekt endlich scharf erscheint: Flüchtige Motive wie etwa Insekten sind wenig geduldig.
  2. würde sich durch das Fokussieren der Abbildungsmaßstab und damit der Bildausschnitt verändern, also müßte man die Kamera vom Motiv wegziehen oder zu ihm hinrücken und erneut scharfstellen.
  3. ist man auch mit einem schnellen Autofokus-System noch schneller, wenn man die Kamera mit manuell voreingestelltem Abbildungsmaßstab in den ungefähren Schärfebereich des angepeilten Motivs bringt und den Autofokus nur eine einzige Messung durchführen läßt: Der Motor hat dann zur präzisen Fokussierung nur noch eine kurze Strecke zu bewältigen, und der Auslöser kann sofort durchgedrückt werden.

Wer zum ersten Mal eine Autofokus-Kamera mit Makro-Objektiv benutzt, wird schnell auch die Tücken dieses System kennenlernen; dies sind drei häufige Fälle:

Schärfentiefe: Zusammen mit dem voreingestellten Abbildungsmaßstab ist immer auch der notwenige Verlängerungsfaktor für die Belichtung bekannt, den aber alle modernen Kameras durch ihre TTL-Messung (Through the Lens) ausgleichen. Der Fotograf muß also eigentlich nur wissen, daß er aufgrund der nötigen Schärfentiefe und Belichtungsverlängerung mit langsamen Belichtungszeiten arbeiten muß.
    Diese verlängern sich noch dadurch erheblich, daß im Makro-Bereich stark abgeblendet werden sollte: Beim Abbildungsmaßstab 1:2 z. B. beträgt die Schärfentiefe selbst mit Blende 16 nur noch ca. 4 mm, und bei 1:1 ist sie fast nicht mehr vorhanden. Dennoch ist sie hier enorm wichtig: Bei offener Blende würde nur ein winziger Ausschnitt des Motivs, der genau in der Schärfeneben liegt, scharf abgebildet, der Rest würde in einer undifferenzierten Unschärfe-"Soße" ertrinken, die nichts zur Bildaussage beisteuern könnte. Bei (fast) geschlossener Blende hingegen lassen auch die Bereiche geringerer Schärfe ein Objekt in seiner Dreidimensionalität erkennen.
    Ein völliges Abblenden auf die kleinstmögliche Blende (22 oder 32) empfiehlt sich übrigens nicht: An den Rändern einer allzu engen Blendenöffnung können sich Lichtstrahlen so stark brechen, daß ihre Streuung eine leichte allgemeine Unschärfe erzeugt. Man sollte also beim Abblenden mindestens eine Stufe vor der kleinsten Blende haltmachen.

Bildkomposition: Da die Möglichkeiten, Bildtiefe darzustellen, sehr begrenzt sind, wird zumindest bei unbeweglichen Motiven wie Pflanzen die Bildkomposition sehr wichtig: Zunächst ist durch Verstellen des Stativs die Perspektive zu wählen, die alle wichtigen Bildelemente in eine Ebene stellt und somit scharf abbildet; dann ist vom Hauptelement wiederum auf den wichtigsten Teil scharfzustellen. Wenn beispielsweise die vorderen Staubfäden einer kleinen Blüte die optimale Schärfe erhalten, erscheinen vermutlich auch die vorderen Blütenblätter und die hinteren Staubfäden noch scharf – und mit Glück auch noch teilweise die hinteren Blütenblätter. Um das zu beurteilen, sollte man auf jeden Fall die Abblendtaste drücken, die jede gute Spiegelreflexkamera hat, um die Wirkung der Schärfentiefe beurteilen zu können.

Die Perspektive ist allerdings auch für das freihändige Fotografieren von Kleinstlebewesen nicht unwichtig: Jeder, der einmal einen Insektenbildband oder -film mit Interesse angeschaut hat, weiß, wie langweilig und distanziert Aufnahmen wirken, die immer nur von oben gemacht wurden. Was bei bunten Schmetterlingen noch verständlich ist, wirkt etwa bei Heuschrecken so, als könnte man nicht, wie man wollte. Eine Wirkung von Nähe erzielen oft nur Bilder, die von der Seite oder gar von vorne fotografiert wurden – auf gleicher Augenhöhe sozusagen. Wenn eine Biene genau im rechten Winkel zur Körperachse abgelichtet wird, erscheint sie von vorne bis hinten scharf; die wenigen leicht unscharfen Körperteile – etwa ein nach hinten zeigender Fühler oder Flügel – fallen dann gar nicht mehr auf.
    Das Fotografieren aus der Käferperspektive erfordert natürlich erhöhten körperlichen Einsatz, der auch verschmutzte Hosen und Ärmel mit einschließt. Eine gewisse Entlastung bringt ein Winkelsucher, der es ermöglicht, das vom Objektiv eingefangene Sucherbild von oben oder der Seite zu betrachten; das Scharfstellen erledigt zuverlässig der Autofokus. In der Praxis aber läßt sich ein quirliges Insekt mit Winkelsucher "um die Ecke" erheblich schwieriger im Blick behalten, als das mit dem natürlichen Geradeaus-Blick möglich ist.
    Und noch etwas verlangt das Eintauchen in die Welt der Krabbeltiere: hohe Verschlußgeschwindigkeit, die dem Temperament des Models entspricht. An Blitzlicht führt daher kein Weg vorbei:

3. Blitzlicht

Da moderne Kamera durchs Objektiv auch Blitzlicht messen, wird prinzipiell auch dieses richtig dosiert, wenn das Blitzgerät mit dem jeweiligen Kamerasystem kompatibel ist; um die notwendige Belichtungsverlängerung von einer bis zu zwei Blenden braucht man sich also keine Sorgen zu machen. Wenn ein "normales" Blitzgerät zum Einsatz kommt, ergeben sich jedoch zwei Probleme: Im Nahbereich werden manche starken Elektronenblitzgeräte nicht rechtzeitig abgeschaltet, was zur Überbelichtung führt. Außerdem werfen alle einzeln eingesetzten Geräte ziemlich harte Schatten. Das Blitzgerät aus etwas größerer Entfernung als die Kamera einzusetzen, um seine Helligkeit zu verringern, ist mit Hilfe eines speziellen Blitzkabels kein Problem, da diese auch die Automatikfunktion überträgt. Eine perfekte, schattenarme Ausleuchtung ist jedoch nur mit einem zweiten Blitzgerät zu erzielen:

Zwei Blitzgeräte geringer Lichtstärke werden rechts und links der Kamera mit Metallarmen so am Gehäuse oder Makro-Objektiv befestigt, daß sie das Motiv jeweils im 45°-Winkel (zusammen 90°) beleuchten und sich ihre jeweiligen Schatten gegenseitig fast wegblitzen. Die Konstruktion bildet eine zwar sperrige, aber durchaus noch transportable Einheit, die im "Feld" auf Insektenpirsch aus der Hand zu bedienen ist. Die beiden Blitzgeräte können auf dreierlei Weise benutzt werden:

  Kombination Ringblitz + Seitenblitz

Ein lästiges Problem können aber auch zwei seitlich angeordnete Blitzgeräte nicht lösen: das des dunklen Hintergrunds. Da die Hellichkeit des Blitzes mit dem Quadrat der Entfernung abnimmt, erscheint der Hintergrund vieler Makroaufnahmen sehr dunkel bis völlig schwarz. Das läßt sich auf zwei Weisen verhindern: Entweder man vermehrt die Gerätetechnik um ein weiteres, drittes Blitzgerät, das ausschließlich den Hintergrund beleuchtet, aber die Mobilität des Fotografen spürbar einschränkt. Oder man achtet darauf, daß sich flächige Bildelemente ganz nah hinter dem Motiv befinden: Wenn die Blüte mit der Biene unmittelbar vor einem großen grünen Blatt steht, wird dieses nicht unterbelichtet und wertet das Motiv mit einem leicht verschwommenen sattgrünen Hintergrund auf ...

Ein Ringblitz stellt die kompaktere Alternative zu zwei herkömmlichen Blitzgeräten dar. Er besteht aus zwei Teilen: Der eine entspricht einem herkömmlichen Automatik-Blitzgerät ohne Reflektor und wird in den Blitzschuh der Kamera geschoben; der andere (mit dem ersten durch ein Kabel verbundene) Teil ist eine ringförmige Leuchtröhre, die in die Fassung des Makro-Objektivs gedreht oder gesteckt wird und ein Objekt von wirklich allen Seiten, also völlig schattenfrei ausleuchtet. Da die Leuchtröhre aber in zwei oder vier getrennt schaltbare Sektoren unterteilt ist, kann sie die verschiedenen Seiten eines Objekts auch mit unterschiedlichen Beleuchtungsintensitäten ausleuchten. Der perfekten Ausleuchtung sind also keine Grenzen gesetzt – fast keine, denn die Sektoren des Ringblitzes leuchten von einem 100-mm-Makro-Objektiv aus in spitzeren Winkeln auf das Motiv, als das bei zwei getrennten Blitzgeräten der Fall ist.
    Auch dieses Problem jedoch ist schon gelöst: Profi-Ringblitzgeräte können als sogenannter "Master" drahtlos ein zweites, "normales" Blitzgerät auslösen, wenn sich dieses im "Slave"-Modus betreiben läßt. Man plaziert also das starke Zweitblitzgerät auf einem Kleinstativ neben dem Objekt und bedient die mit dem Ringblitz bestückte Kamera wie gewohnt aus der Hand. Die Ergebnisse sind herrlich plastische Bilder mit natürlich hellem Hintergrund und angenehm aufgehellten Schatten – wie unter natürlichem Sonnenlicht. Achten sollte man nur darauf, daß das scheinbare Sonnenlicht nicht zu stark ist und aus der richtigen Richtung kommt, damit es die Schatten nicht an der falschen Stelle wirft.


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