Neophyten sind botanische Neubürger, genauer: Pflanzenarten, die nach 1492 (dem Jahr der Entdeckung Amerikas durch Christoph Kolumbus) absichtlich oder aus Versehen vom Menschen oder durch seinen Einfluß in Gebiete verschleppt wurden, in denen sie natürlicherweise nicht vorkamen. Das Gegenteil sind Archaeophyten, also längst etablierte Pflanzenarten, die vor 1492 in historischer Zeit direkt oder indirekt durch den Menschen in ein neues Gebiet eingeführt wurden und sich dort selbständig ohne fremde Hilfe fortgepflanzt haben. Die beiden Wörter leiten sich ab von altgriechisch neos = ′neu′ bzw. archaios = ′alt′ und phytos = ′gepflanzt, gewachsen′. Im weiteren Sinne sind Neophyten auch Pflanzen, die aufgrund günstiger klimatischer Bedingungen und eigener Durchsetzungskraft von selbst langsam zu uns gewandert sind. Eingeschleppten Tierarten bezeichnet man übrigens als Neozoen. Für verschleppte Pflanzenarten gibt es drei Möglichkeiten:
Ein potentielles Problem mit diesen erfolgreichen Neubürgern ist, daß sie sich auf Kosten heimischer Pflanzen ausbreiten und solche Arten, die durch das Vernichtungswerk ohnehin geschwächt sind, zumindest lokal zum Aussterben bringen; ein anderes ist, daß sie als Fremdländer nicht ins Ökosystem unserer Biotope passen, da sie sich nicht in Symbiosen mit den Lebewesen entwickelt haben, die bei uns seit langem vorkommen.
Bekannte Beispiel für Neophyten sind die Herkulesstaude und das Indische Springkraut; andere Neubürger wie die Kanadische Goldrute oder der Japanische Staudenknöterich werden oft nicht mehr als "Ausländer" erkannt. Alle sind mehr oder weniger problematisch. Bei einer Durchsicht der folgenden Artenportrait fallen zwei Gründe dafür auf: Fast alle der genannten Arten können durch großflächige dichte Bestände die standortgerechte heimische Vegetation verdrängen und damit auch die von ihr abhängigen Tierarten, insbesondere auf bestimmte Blütenpflanzen spezialisierte Insekten wie Wildbienen; und in drei Fällen sind ausgerechnet Imker an der Ausbreitung der Neophyten beteiligt.
Arten | Ambrosia (Ambrosia artemisifolia) L. Synonyme: Aufrechte Ambrosie, Hohe Ambrosie, Beifußambrosie, Beifußblättriges Traubenkraut, Aufrechtes Traubenkraut |
Familie | Korbblütler (Compositae bzw. Asteraceae) |
Standort | hell und im Sommer feucht: nährstoffreiche Ruderalstandorte (Brachen, Wegränder, Gärten, Ackerland) |
Blütezeit | Juli/August bis zum ersten Frost, dann Aussamung und Tod; Keimung nach Frost |
Vermehrung | einjährige, einhäusige (aber auch rein weibliche) Pflanzen mit Windbestäubung, Diasporen jahrzehntelang keimfähig |
Herkunft | Nordamerika (USA und Kanada), lokaler Name: ragweed |
Zweck | keiner |
Ausbreitung | Import landwirtschaftlicher Produkte, Samen in Vogelfutter, von Landwirtschaftsmaschinen und Verkehr verschleppt |
Probleme | Der Pollen löst von Juli bis Oktober bei Pollenallergikern starke Reaktionen aus. |
Arten | • Kanadische Goldrute (Solidago canadensis) • Riesengoldrute bzw. Späte Goldrute (Solidago gigantea) |
Familie | Korbblütler (Compositae bzw. Asteraceae) |
Standort | hell bis sonnig: Gewässerufer, Ackerbrachen, Bahndämme, Straßenränder etc. |
Blütezeit | AugustOktober |
Vermehrung | über flugfähige Samen und Ausläufer: Rhizome, Kriechwurzeln |
Herkunft | Nordamerika (USA und Kanada) |
Zweck | ? |
Ausbreitung | aus Gärten spätestens seit 1863 |
Probleme |
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Arten | Indisches Springkraut (Impatiens glandulifera) |
Familie | Springkraut- bzw. Balsaminengewächse (Balsaminaceae) |
Standort | hell bis sonnig: Gewässerufer, Ackerbrachen, Bahndämme, Straßenränder etc. |
Blütezeit | JuniOktober/November (Frostbeginn) |
Vermehrung | über schwimmfähige Samen (bis zu 2.000), die bis zu 7 m aus der Frucht geschleudert werden. Die Samen der einjährigen Pflanze bleiben 45 Jahre lang keimfähig. |
Herkunft | Himalaya-Gebiet (Indien); Anfang des 19. Jahrhunderts |
Grund | Import als attraktive Zierpflanze |
Ausbreitung | aus Gärten und Parkanlagen:
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Probleme |
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Arten | Riesen-Bärenklau, Herkulesstaude (Heracleum mantegazzianum) |
Familie | Doldenblütler (Apiaceae bzw. Umbelliferae) |
Standort | Keine besonderen |
Blütezeit | JuliSeptember |
Vermehrung | über kaum flugfähige, aber schwimmfähige Samen (bis zu 10.000 pro Pflanze), über mehrere Jahre hinweg keimfähig und bleiben. |
Herkunft | Kaukasus Ende des 19. Jahrhunderts, Import als imposante Zierpflanze |
Ausbreitung | Gärten und Parkanlagen: durch Samenflug oder Ausschwemmen der Samen mit Wasserläufen, durch die Entsorgung von Gartenabfällen in der freien Landschaft und durch direkte Aussaat als Bienenweide durch Imker. |
Probleme |
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Arten | • Japanischer Staudenknöterich (Fallopia japonica, Synonym: Reynoutria japonica) • Sachalin-Knöterich (Reynoutria sachalinensis) |
Familie | Knöterichgewächse (Polygonaceae) |
Standort | keine besonderen, u. a. Gewässerufer |
Blütezeit | AugustOktober |
Vermehrung | über Sproß- und Rhizomstücke: durch Hochwasser und Transport von Erdmaterial für Tiefbauarbeiten; weniger über Samen. |
Herkunft |
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Zweck | Staudenknöterich: im 19. Jahrhundert als Zierpflanze für Kurgärten und Futterpflanze für Haustiere und Wild (Tatsächlich wird er kaum gefressen.) |
Ausbreitung | aus Gärten und Parks |
Probleme |
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Arten | Topinambur, Süßkartoffel (Helianthus tuberosus) |
Familie | Korbblütler (Compositae bzw. Asteraceae) |
Standort | hell bis sonnig: Gewässerufer, Ackerbrachen, Bahndämme, Straßenränder etc. |
Blütezeit | AugustOktober |
Vermehrung | klimatisch bedingt nur über tiefliegende Ausläuferknollen |
Herkunft | aus Nordamerika im 17. Jahrhundert |
Zweck | Import als Nahrungspflanze; wurde später von der Speisekartoffel abgelöst, wird heute noch zur Schnapsgewinnung und als Wildfutter angebaut und in diversen Zuchtformen auch als Zierpflanze gezüchtet |
Ausbreitung |
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Probleme |
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Arten | Robinie, Falsche Akazie (Robinia pseudacacia) |
Familie | Schmetterlingsblütler (Fabaceae) |
Standorte | Keine besonderen |
Blütezeit | Mai–Mitte Juni |
Vermehrung | über Wurzelbrut, mit der die Robinie etwa 2 m überbrücken kann, zum anderen über die Bildung von Samen, die über 200 m weit mit dem Wind verdriftet werden können. Eine aus Samen aufgegangene Robinie kann bereits in ihrem 2. Lebensjahr Samen produzieren. |
Herkunft | Nordamerika (durch J. Robin 1601 nach Paris) |
Zweck | Schnellwüchsig, Schadstoff- und Schädlingsresistent und regenerationsfähig, geeignet als Straßenbaum etc. |
Ausbreitung |
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Probleme |
Die Robinie ist ein sehr durchsetzungsfähiger Neophyt: Als Schmetterlingsblütler bindet sie Luftstickstoff und reichert damit den Boden an. Schützenswerte Magerstandorte werden so überdüngt, außerdem Gewässer, in die der Stickstoff ausgewaschen wird.
  Die folgende Liste nennt die Giftstoffe der Robinie, die ihre insektizide bzw. fungizide Wirkung ausmachen (Quelle: das Projekt Bachpatenschaften der Stadt Freiburg):
Giftstoffe | Rinde | Holz | Blätter | Blüte | Samen |
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Lectine (z. B. Robin) | x | x | |||
Phasin | x | ||||
Indican (Indoxyglykosid) | x | x | |||
Robinin (Glykosid) | x | x | |||
Robinin (Glykosid) | x | x |
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Literatur |