In der Klasse der Insekten (Insecta) findet sich neben den großen taxonomischen Ordnungen der Hautflügler (Hymnoptera: Bienen & Wespen), Käfer (Coleoptera), Schmetterlinge (Lepidoptera) und Zweiflügler (Diptera: Fliegen & Mücken) die ähnlich artenreiche Ordnung der Schnabelkerfe (Hemiptera). Kerf ist ein anderes, altes Wort für 'Kerbtier' bzw. 'Insekt', von "Schnabelkerfen" jedoch dürften die wenigsten Leser dieser Zeilen zuvor gehört haben. Ihr wissenschaftlicher Name, Hemiptera, bedeutet 'Halbflügler', gebildet aus altgriechisch ημι / hemi (wie in Hemisphäre = 'Halbkugel') und πτερον / pterón = 'Flügel'; eine weitere Bezeichnung dieser Ordnung ist Rhynchota. Viel bekannter sind vier ihrer fünf Unterordnungen: die Pflanzenläuse (Sternorrhyncha), die Zikaden (Clypeorrhyncha & Archaeorrhyncha) und nicht zuletzt die Wanzen (Heteroptera). Die fünfte Unterordnung, die Scheidenschnäbler (Coleorrhyncha), sind eine kleine Reliktgruppe.
Der wissenschaftliche Bezeichnung der Wanzen, Heteroptera (wie in heterosexuell), bedeutet 'Verschiedenflügler' und bezieht sich auf ihre Hemielytren ('Halbdecken'): Im Gegensatz zu den Deckflügeln (Elytren) etwa der Käfer sind die Vorderflügel der Wanzen nur zur Hälfte bis zu zwei Dritteln sklerotisiert, also hart. Der verhärtete (proximale) Teil wird als Corium (lat.: 'Leder') bezeichnet, der dünnere, häutige (distale, apikale) Teil als Membran ('Häutchen'). Die oft keilförmige (dreieckige) Region an der Spitze des Coriums (wo die Membran beginnt) ist der Cuneus ('Keil') genannt, der Streifen an der Innenseite eines Coriums der Clavus ('Nagel, Stift'). Die Membran besitzt meist Adern; diese können für die Artbestimmung herangezogen werden.
Weitere Merkmale sind die scheinbare Einheit von Brust- bzw. Mittelstück (Thorax) und Hinterleib (Abdomen), der sehr kurze, scheinbar fehlende Hals, die nur vier- oder fünfgliedrigen Antennen (Fühler) und die zwei- oder dreigliedrigen Füße (Tarsi). Ähnlich den Mücken, Raubfliegen und Flöhen besitzen Wanzen stechend-saugende Mundwerkzeuge, mit denen die meisten Pflanzensäfte saugen, einige prädatorisch lebende Arten aber auch die Körperflüssigkeiten ihrer Beute und die Ektoparasiten unter ihnen – etwa die Bettwanze (Cimex lectularius) – Blut.
Ausgerechnet die Bettwanze kommt vielen Menschen beim Stichwort "Wanze" als erste (oft genug als einzige) Wanze in den Sinn und prägt so das schlechte Image dieser Insektengruppe. Natürlich wird diese Verallgemeinerung den rund 900 allein in Deutschland lebenden Arten in keiner Weise gerecht: Ihre große Form- und Farb-Vielfalt, ihre Rolle im Ökosystem, ihr Nutzen wie auch gelegentlicher Schaden für uns Menschen unterscheiden sich wenig von den Merkmalen anderer Gliederfüßer (Arthropoden), etwa der Käfer (Coleoptera), die immer wieder mit den Wanzen verwechselt werden. Zu Käfern allerdings haben die meisten Menschen ein durchaus ambivalentes Verhältnis: Neben dem Borkenkäfer, Kartoffelkäfer, Getreidekapuziner etc. sind uns auch etliche schöne, imposante oder gar "gute", weil "nützliche" Arten vertraut, etwa der Hirschkäfer, Maikäfer und Rosenkäfer, die Leuchtkäfer ("Glühwürmchen") und als "Glücksbringer" die Marienkäfer; in mancher Paarbeziehung fungiert der "Käfer" gar als Kosewort, und nicht zuletzt ist das Erfolgsmodell einer bekannten Automarke ebenso bekannt die Tiere selbst. Die "Wanze" hingegen löst keinerlei positive Assoziationen aus und dürfte kaum bekannter sein als die nach ihr (bzw. nach dem englischen bug) benannte Abhörvorrichtung.
Das englische bug bezeichnet darüber hinaus auch Software-Fehler und allgemein Computer-Fehler, die sich mit einem Debugger diagnostizieren und auffinden lassen. Dabei ist zu wissen, daß das englische bug unspezifisch auch für Käfer bzw. alle kleinen, vermeintlich schädlichen Krabbeltiere verwendet wird; Wanzen werden deshalb korrekt als true bugs bezeichnet.
Gemeine Wiesenwanze (Lygus pratensis) · Solingen, 08.07.2021 |
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