Ferngläser für Vogelfreunde
Wem der Erhalt unserer Natur am Herzen liegt, der möchte ihre Tiere und Pflanzen beobachten, kennenlernen und bestimmen. Da sich viele Tiere instinktiv bzw. aus schlechter Erfahrung der Beobachtung durch den Menschen entziehen, benötigt man ein Hilfsmittel: für sehr kleine Tiere ein Mikroskop bzw. Binokular, für größere und flüchtige Arten ein Fernglas oder auch Spektiv. Von besonderem Interesse ist von jeher die heimische Vogelwelt: Vögel sind viel sichtbarer als heimlich lebende Amphibien, Reptilien und Säugetiere, und sie erfreuen uns durch ihre Schönheit und ihren Gesang.
Vereinfachte Darstellung eines Fernglases ("Keplersches Fernrohr"):
Es fehlen in diesem Modell die Prismen zur Bildumkehrung: Von oben einfallende Lichtstrahlen müssen auf der Netzhaut des Auges unterhalb der optischen Achse einfallen. Außerdem bestehen Objektiv und Okular eines Feldstechers heute aus mehreren Linsen, um Rand- und Abbildungsfehler auszugleichen. |
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Was man über Feldstecher wissen wollte, um die richtige Wahl treffen zu können, wird in der folgenden kleinen "Fernglaskunde" aufgeführt. Folgende Kriterien sind für den Benutzer am wichtigsten: Vergrößerung und Lichtstärke, Größe und Gewicht, Qualität und Preis. Um alle technischen Daten auf den Ferngläsern und in den Prospekten zu verstehen, muß man auch ein klein wenig rechnen:
- Auf jedem Glas sind (zusammen mit einem "mal"-Zeichen) zwei Zahlen angegeben, z.B. 8x40 oder 10x25. Die erste Zahl gibt den Vergrößerungsfaktor an, der u. a. die Lichtstärke und die Länge des Feldstechers bestimmt. Eine achtfache Vergrößerung erzeugt z.B. bei einer Entfernung von 100 m zum Objekt die Illusion, als wäre der Betrachter nur 12,5 m von dem beobachteten Gegenstand entfernt (100:8=12,5).
Ein Faktor 6 gilt für die Feldornithologie als relativ schwach, entspricht aber immerhin einem 300-mm-Objektiv für Kleinbildkameras; üblich sind 7, 8 und 10, ab dem Faktor 12 wird es sehr schwer, das Glas noch ruhig zu halten.
20- bis 40-fache Vergrößerungen, wie sie für die formatfüllende Betrachtung weit entfernter Vögel (z.B. zum Ablesen des Ringes) erforderlich sind, lassen sich nur mit Spektiven bzw. langen Linsen- oder Prismenfernrohren
und Spiegelfernrohren erreichen, die auf ein stabiles Stativ montiert werden.
- Die zweite Zahl auf einem Fernglas gibt in Millimeter den Objektivdurchmesser,
also den Innendurchmesser der beiden großen, vorderen Linsen an. Je größer dieser ist, desto höher sind die Lichtstärke (Bildhelligkeit), die Dämmerungszahl und die Auflösung und auch das Gewicht. 50mm bilden daher in der Praxis die noch tragbare Obergrenze.
- Die Okulare sind die hinteren, den Augen zugewandten Linsen bzw. Linsensysteme. Diese fungieren als Lupen zur Betrachtung des von den Objektiven erzeugten Zwischenbildes. Binokulare Ferngläser haben zwei Okulare (und Objektive), monokulare Ferngläser z.B. Spektive oder manche Taschenferngläser nur eines.
- Das Gesichtsfeld bzw. Sehfeld läßt sich in Grad (vgl.
Fotoobjektiv) und Metern angeben. Das tatsächliche Gesichtsfeld ist
der reale Bildwinkel, gemessen vom Mittelpunkt der Objektivlinse.
Das scheinbare Gesichtsfeld ist der subjektiv vom Betrachter wahrgenommene
Bildwinkel; er ergibt sich, wenn man den realen Bildwinkel mit der Vergrößerung
multipliziert Beispiel: 7° x 8 = 56°. Umgekehrt ergibt sich die
Vergrößerung aus den beiden Bildwinkeln: 56°:7° = 8.
- Das Gesichtsfeld bzw. Sehfeld auf 1000 m ist in Metern die Breite
des überschaubaren Bereichs aus einer Entfernung von 1000 Metern (Faustregel: realer Winkel x 17,5). Es kann bei gleicher Vergrößerung abhängig vom realen Bildwinkel unterschiedlich groß sein.
- Weitwinkel-Ferngläser (Ww) bieten bei gleicher Vergrößerung
wie ein normales Glas ein besonders großes Gesichtsfeld. Der Begriff
"Weitwinkel" ist definiert als: objektseitiges Sehfeld in Grad x Vergrößerung gleich oder größer als 60°. Beispiel: 7,5°x8 = 60.
- Die Austrittspupille ist keine Linse, sondern das vom Okular kurz hinter diesem erzeugte Bild, das man mit der Pupille des Auges zur Deckung bringen muß. Den Durchmesser der Austrittspupille errechnet man, indem man den Objektivdurchmesser durch den Vergrößerungsfaktor teilt Beispiel für ein Glas 8 x 40: 40:8 = 5 mm. Zum Vergleich: Die Pupille des menschlichen Auges ist bei Tageslicht 2 bis 3 mm weit und bei Dunkelheit 7 mm. 5 mm ist also für eine Austrittspupille ein
ausgezeichneter Wert: Er bietet eine große Dämmerungsreserve 7 mm wären nur für den Nachteinsatz wünschenswert , und in einer größeren Austrittspupille läßt sich die Augenpupille freihändig besser halten.
- Die relative Helligkeit (geometrische oder numerische Lichtstärke) eines Fernglases erhält man, wenn man den Durchmesser der Austrittspupille mit sich selbst multipliziert bei 5 mm also: 5 x 5 = 25. Mittelgroße Ferngläser, die auch bei etwas schwächerem Licht gut zu gebrauchen sind, haben eine relative Helligkeit von ca. 16 - Beispiele: 8 x 32, 10 x 40; in beiden Fällen ist die Austrittspupille 4; 4 x 4 = 16. Die Bildhelligkeit ist allerdings nur für das Dämmerungssehen wirklich wichtig, da bei hellem Tageslicht praktisch nur der Vergrößerungsfaktor bestimmt, wie gut Details zu erkennen sind. Ein 10 x 25-Feldstecher kann also für eine ornithologische Exkursion schon ausreichen!
- Die Dämmerungszahl ist der Faktor, um den die Sehschärfe des Auges in der Dämmerung und bei hellem Mondschein durch das Fernglas erhöht wird also eine wichtige Meßzahl für das Dämmerungssehen und damit für die Leistung eines Feldstechers. Mann errechnet sie, indem man den Vergrößerungsfaktor mit dem Objektivdurchmesser multipliziert und aus dem Produkt dann die Quadratwurzel zieht Beispiel: Wurzel aus 8x32 = Wurzel aus 256 = 16; in diesem Fall entspricht die Dämmerungszahl zufällig der relativen Helligkeit. Diese beträgt, wie gesehen, auch bei einem 10 x 40-Glas 16; die Dämmerungszahl lautet hier aber 20! Bei gleicher Bildhelligkeit sieht man also mit dem 10 x 40 mehr als mit dem 8 x 32 gleiche Qualität vorausgesetzt. Wie gut man in der Dämmerung sehen kann, hängt auch vom Objektivdurchmesser ab. Gläser mit hoher Dämmerungszahl sind daher relativ groß, schwer und teuer.
- Der Abstand der Austrittspupille ist der Abstand zwischen dem Okular und der Austrittspupille bzw. dem Auge. Für die Qualität des Bildeindrucks sollte dieser Pupillenabstand zwar eigentlich möglichst klein sein: ca. 9 mm; für Brillenträger jedoch muß dieser Luftzwischenraum deutlich größer (über 1 cm) sein, damit der Betrachter auch mit Brillenglas Augenpupille und Austrittspupille zur Deckung bringen und so das ganze Sehfeld überblicken kann. Für
Normalsichtige muß ein vergrößerter Pupillenabstand mit besonders großen Gummi-Augenmuscheln überbrückt werden, die ein Brillenträger nur umzustülpen braucht, um für seine Brillengläser Platz zu schaffen.
- Brillenträgerokulare nennt man jene Spezialokulare mit einem größeren Pupillenabstand (ca. 18 mm), die die bei normalen Ferngläsern übliche Einengung des Sehfeldes von Brillenträgern verhindern. Nur wenige Firmen stellen solche Okulare her, ihre Ferngläser sind mit einem "B" (für "Brille" Leica und Zeiss) oder "LE" ("Long-Eye-Relief" Firma Tasco) gekennzeichnet und unterscheiden sich äußerlich von Gläsern mit den gleichen Kenngrößen durch längere Augenmuscheln, also eine insgesamt größere Bauhöhe, und durch den sichtbar größeren Okulardurchmesser. Dieser ist deshalb
notwendig, weil sich die "Schere" des subjektiven Bildwinkels (des scheinbaren Gesichtsfeldes) bei größerem Pupillenabstand natürlich weiter öffnet.
- Die Vergütung eines Fernglases meint hauchdünne Metallsalzschichten, die auf alle Glas-Luft-Flächen aufgedampft werden sollten und dann als bläulicher oder bräunlicher Schimmer zu erkennen sind. Vergütete Linsen und Prismen verhindern unerwünschte Reflexionen und Überstrahlungen und steigern dadurch deutlich Lichtdurchlässigkeit bzw. Bildhelligkeit (von 50 % auf bis über 90 %), Bildschärfe und -kontrast. Für gute Feldstecher ein absolutes "Muß"!
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Links: "Porroprismen" bedingen gegenüber den Okularen einen erweiterten Objektivabstand;
Vorteil: verbessertes räumliches Sehen;
Nachteil: die Breite des Fernglases beim Transport.
Rechts: Das "Dachkantprisma", bestehend aus zwei Einzelprismen, ermöglicht eine schlanke, handliche Bauweise, bedingt allerdings eine größere Baulänge. Bei gleichlangen Ferngläsern ist also der Dachkant-Typ lichtschwächer. |
- Unter Fernglas-Typ versteht man die Bauweise des Glases. Die ersten Ferngläser waren reine Linsengläser; wegen deren Nachteile enthalten moderne Ferngläser auch Prismen (als Umkehrsystem). Es gibt zwei Prismentypen, die man leicht unterscheiden kann:
a) Porroprismen-Ferngläser, die ältere und breitere Bauart (Abb. links),
zeichnen sich durch die charakteristischen breiten "Schultern" unterhalb der Okulare aus; sie lassen sich bei ausgezeichneter optischer Qualität relativ leicht (unkompliziert) und daher preisgünstig herstellen.
b) Dachkantprismen-Ferngläser sind durch eine Durchgehend gerade und daher schlange Bauart gekennzeichnet. Die Herstellung und Ausrichtung dieser Prismen ist ziemlich kompliziert, was einen höheren Preis bedingt.
- Hinsichtlich der Größe und des Gewichts lassen sich grob drei Kategorien unterscheiden. Sehr kleine und leichte Kompaktferngläser (bis ca. 300 g) haben nur eine geringe Austrittspupille und Dämmerungszahl z. B.: 8 x 20 oder 10 x 25; sehr beliebt sind heutzutage Dachkantprismen-Ferngläser, die sich zusätzlich eng zusammenfalten lassen ("Faltgläser") und in eine Hand- oder Jackentasche passen.
Mittelgroße Gläser, mit den Kenndaten 8 x 30 bis 10 x 40,
stellen für die Feldornithologie wohl den besten Kompromiß dar: Trotz respektabler Lichtstärke bzw. Dämmerungszahl und gutem Sehkomfort haben sie noch günstige Abmessungen und ein durchaus "tragbares" Gewicht (500/600 g bis ca. 900 g).
Die großen und schweren Modelle schließlich sind zwar mehr oder weniger sperrig und unhandlich, bewähren sich aber als Nachtgläser (z. B. 7 x 50 oder 8 x 56) oder verfügen über Zoom, also eine veränderliche Vergrößerung (z. B. 816 x 40); sie lassen sich übrigens mit einem kleinen Fernglashalter zur zitterfreien Betrachtung auf ein Klemm- oder Dreibeinstativ schrauben.
Die sogenannten Spektive bilden eine wichtige Sonderklasse: Diese langen monokularen Fernrohre mit einem Objektiv und einem auswechselbaren Okular (für unterschiedlich starke Vergrößerungen) sind für den stationären und getarnten Einsatz geeignet.
- Die Qualität eines Fernglases schließlich wird mitnichten durch die genannten Kenn- und Meßzahlen bestimmt, die in der untenstehenden Tabelle noch einmal beispielhaft aufgeführt sind. Entscheidend sind vielmehr hochwertige Werkstoffe, modernste Technologie und präzise Verarbeitung also beste optische Gläser, eine aufwendige Vergütung (Mehrfachbeschichtung) aller Glas-Luft-Flächen, robuste Objektivtuben, präzise Lagerung (ohne Kittung), eine ebenso genaue wie zuverlässige
Mechanik (Innenfokussierung, absolute Dichtigkeit), lange Haltbarkeit und Garantieleistung (bei Leica und Zeiss: 30 Jahre), schließlich die Service-Freundlichkeit, in der sich die Firma Zeiss z.B. bei Natur- und Vogelfreunden einen guten Ruf erworben hat. All das wirkt sich natürlich auf den Preis aus; Billiggläser sollte man gleich "vergessen".
Exemplarische Kenn- und Meßzahlen für vier Qualitäts-Ferngläser mit 8facher Vergrößerung für Brillenträger. B = Brillenokular, C = Kompaktfernglas, A, GA = Gummiarmierung, T = Zeiss-T-Mehrschichtvergütung, Ww = Weitwinkelokular |
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Leica 8 x 2 BCA |
Zeiss 8 x 30 B/GA T |
Leica 8 x 42 BA |
Zeiss 8 x 56 B/GA T |
Vergrößerung | 8x | 8x | 8x | 8x |
Objektiv-Durchmesser | 20 mm | 30 mm | 42 mm | 56 mm |
Austrittspupille | 2,5 mm | 3,75 mm | 5,25 mm | 7 mm |
Relative Helligkeit | 6,25 | 14,06 | 27,56 | 49 |
Dämmerungszahl | 12,65 | 15,5 | 18,3 | 21,2 |
Relativer Bildwinkel Subjektiver Bildwinkel | 6,3° 47,8 |
7,76,3° 61,8 | 7,446,3° 58,7 | 6,36,3° 50,4 |
Sehfeld auf 1000 m | 115 m | Ww 135 m | 130 m | 110 m |
Abmessungen | 92 x 60 mm | 119 x 109 mm | 141 x 130 mm | 238 x 143 mm |
Gewicht | 223 g | 580 g | 890 g | 1030 g |
Welches Fernglas ist nun also das richtige? Zunächst sollte sich der Vogelfreund für die geeignete Vergrößerung entscheiden:
9- oder 10fache für besonders große Entfernungen, für Details
bzw. kleine Gegenstände (Singvögel), 7- oder 8fache Vergrößerung für größere oder mehrere Objekte (Vogelgruppen) und für den allgemeinen Gebrauch.
Dann ist über den Objektivdurchmesser zu befinden z. B. anhand der nebenstehenden Tabelle: Das extrem kleine und leichte Kompaktglas 8 x 20 bleibt aufs Tageslicht beschränkt, findet aber in jeder Tasche Platz; ein "Universalglas" 8 x 30 (oder 8 x 32) bietet trotz geringer Abmessungen besseren Sehkomfort und eine bessere Dämmerungstauglichkeit und eignet sich für fast alle Gelegenheiten; ein 8 x 30 wartet mit noch größerer Austrittspupille und Dämmerungszahl auf, aber auch mit größerer Bauhöhe und höherem Gewicht und Preis; die 8 x 56-Version empfiehlt sich für Nachteinsätze (Eulen), sonst ist sie zu groß und schwer.
Zumindest bei kleinen und mittelgroßen Ferngläsern sollte man den schlanken, raumsparenden Dachprismen-Typ bevorzugen am besten gleich mit Gummiarmierung, da diese auch harte Feldeinsätze gut "wegsteckt". Soll das Glas von Brillenträgern (mit)benutzt werden, sind B-Okulare dringend zu empfehlen. Bleibt die Frage, wieviel Qualität man sich leisten kann oder will. Antwort: Wenn ein Feldstecher mehr als ein-, zweimal im Jahr benutzt wird, so viel wie möglich. Die teuren Spitzengläser deutscher Fabrikation kosten zwar zwei- bis dreimal so viel wie ihre ausländischen Konkurrenten, aber man hat sich mit ihnen garantiert nicht verkauft.
Noch ein wenig mehr über die Auswirkungen der einzelnen Parameter auf Leistung und Einsatz eines Fernglases kann man auf der kommerziellen Website www.orniwelt.de erfahren: Die Fernglassuche soll bei der Suche nach dem geeigneten Fernglas helfen ...
- Literatur u. a.:
- Linsmeier, Klaus-Dieter (2000): Fernoptik in der Naturbeobachtung · Die Bibliothek der Technik Band 195. verlag moderne industrie, Landsberg.
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