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Umweltschutz: Insekten- bzw. Bienengifte

"Der stumme Frühling", den Rachel Carson einst in ihrem Bestseller beschrieb (The Silent Spring, 1962), sei längst Geschichte, glauben viele Menschen: DDT und andere gefährliche Biozide seien aus der Umwelt verschwunden, der Staat betreibe die nötige Vorsorge. Es ist zu befürchten, daß das nicht stimmt.

In den Nachkriegsjahren waren es zunächst die insektenfressenden Vögel und Greife, in deren Fett sich das Gift anreicherte, bevor schließlich auch die Menschen betroffen waren. Der Schock, den die Schäden an Tier und Mensch auslöste, hinderte Industrie, Staat und Landwirtschaft aber nicht daran, neue Biozide zu testen, zuzulassen und anzuwenden. Damals wie heute werden effektive Verfahren zum Nachweis von Bioziden und ihrer Gefährlichkeit oft erst entwickelt, wenn diese längst in der Natur angekommen sind. Ein Beispiel sind jene Wirkstoffe bzw. Insektizide, die direkt von Insekten über den Honig zum Menschen gelangen können: bienengefährliche Gifte.

Auf Beipackzettel ist häufig "bienenungefährlich" zu lesen. Als Verbraucher und Nahrungsmittelkonsument nimmt man das gerne wörtlich: Was "bienenungefährlich" heißt, ist auch 'bienenungefährlich'. Tatsächlich aber wird die "Bienenungefährlichkeit" industriefreundlich nach der sogenannten LD-50-Dosis definiert, was laut Pflanzenschutzverordnung besagt: Wenn mit einem als "bienenungefährlich" bezeichneten Mittel bei sachgerechter und empfohlener Anwendung 100 Bienen in Berührung kommen und von diesen innerhalb von 48 Stunden nicht mehr als 49 Bienen sterben, dann ist das Mittel "bienenungefährlich". Bienen, die später an einem Gift sterben, werden also ignoriert.

Bienenexperten warnen schon länger vor allem vor dem Pestizid Imidacloprid, das vom Leverkusener Bayer-Konzern hergestellt wird. Der Wirkstoff wurde 2004 in Frankreich verboten, nachdem eine Untersuchung durch das Comité Scientifique et Technique im Auftrag der französischen Regierung das dortige Völkersterben auf dieses Gift zurückführen konnte. In Deutschland wird das Präparat aber noch immer im Raps-, Zuckerrüben- Obst-, Gemüse- und Maisanbau eingesetzt. Weitere Wirkstoffe wie Clothianidin, Fipronil und Thiaclopid scheinen mindestens so gefährlich zu sein wie Imidacloprid.
    Die Imker haben also – neben der zunehmenden Verunreinigung des Honigs durch Pollen genmanipuliereter Pflanzen – weiteren Schaden und die Verbraucher eine Sorge mehr. Den größten Schaden allerdings hat die Natur, hier vor allem die Insekten, deren Masse wie auch Artenzahl stetig schwindet. Nicht die Honigbienen des Imkers sind vom Aussterben bedroht, sondern viele Wildbienenarten.

Einen Hoffnungsschimmer gab ein Urteil des Verwaltungsgerichts Augsburg, das am 30. Mai 2008 feststellte, daß Honig, welcher Blütenpollen des gentechnisch veränderten Maises MON 810 enthält, nicht verkehrsfähig ist: Der Anbau stelle eine wesentliche Beeinträchtigung des klagenden Imkers dar, weil er solchen Honig nicht verkaufen dürfe, da der Genmais keine Zulassung als Lebensmittel habe.
    Der Imker erhielt jedoch keinen Schutzanspruch gegen den Anbau, d. h. er kann den Anbauer nicht zwingen zu verhindern, daß seine Bienen gentechnisch veränderte Maispollen eintragen: Obwohl der Hobbyimker seine Bienen seit vielen Jahren stationär in einem Bienenhaus hält und technisch nicht auf Bienentransporte eingerichtet ist, mutet das Gericht ihm nach Abwägung der "Verhältnismäßigkeit" zu, die Völker während der Maisblüte an einem anderen Standort aufzustellen. Allerdings könne der Imker zivilrechtliche Schadensersatzansprüche gegen den Anbauer geltend machen.
    Kommentar: Was Imker empören mag, ist durchaus nachvollziehbar und plausibel: Der klagende Imker hatte als Weideflächen für seine Haustiere nicht eigene oder gepachtete Flächen, sondern fremde Grundstücke genutzt, deren Eigentümer ihn nicht zur Nutzung eingeladen hatten. Welche Pflanzen ein Landwirt (und ob er üerhaupt etwas) auf seinem Grund und Boden anbaut, ist zunächst seine Entscheidung, nicht die eines Imkers. Der im Grundgesetz Artikel 14 formulierte Verfassungsgrundsatz "Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen." bindet den Gebrauch des Eigentums allerdings an das Wohl der Allgemeinheit. Deshalb wäre es Aufgabe des Staates und der Naturschutzverbände (gewesen), gegen gentechnisch veränderten Mais vorzugehen.

Das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit listet sämtliche in Deutschland zugelassenen Agrogifte in seinem Verzeichnis zugelassener Pflanzenschutzmittel auf (Suche), auch Imidacloprid und Clothianidin (Stand: Mai 2006):

1. Insektizid mit Wirkstoff Imidacloprid

HandelsbezeichnungZulass.-
Nummer
WirkstoffeWirk-
bereich
Akteur4558-60Imidacloprid + TefluthrinI
Bayer Garten Spinnmilbenspray4415-61ImidaclopridI
Blusana Combistäbchen4386-61ImidaclopridI
Chinook4672-00beta-Cyfluthrin + ImidaclopridI
Combi-Stäbchen Hortex Plus4386-60ImidaclopridI
Confidor WG 704185-00ImidaclopridI
Faibel4704-00Methiocarb + ImidaclopridI B R W
Gaucho FS ungefärbt4794-00ImidaclopridI
Gaucho WS4787-00ImidaclopridI
Gaucho 600 FS4382-00ImidaclopridI
mprimo4680-00Tefluthrin + ImidaclopridI
Lizetan Combigranulat4590-00ImidaclopridI
Lizetan Neu Zierpflanzenspray4420-00ImidaclopridI
Lizetan Plus Zierpflanzenspray4415-00Methiocarb + ImidaclopridI
Lizetan-Combistäbchen4386-00ImidaclopridI
Manta Plus4572-00Fuberidazol + Imazalil + Triadimenol + ImidaclopridI F
Montur4558-00Tefluthrin + ImidaclopridI
Provado Gartenspray4415-60Methiocarb + ImidaclopridI
Provado 5 WG4653-00ImidaclopridI
Traffic4681-00Tefluthrin + ImidaclopridI
Legende: B = Bakterizid · F = Fungizid · I = Insektizid · R = Repellent · W = Wildschadenverhütungsmittel

2. Insektizid mit Wirkstoff Clothianidin

HandelsbezeichnungZulass.-
Nummer
WirkstoffeWirk-
bereich
Dantop5583-00ClothianidinI
Janus5505-00beta-Cyfluthrin + ClothianidinI B
Poncho5272-00ClothianidinI B
Poncho Alpha5495-00beta-Cyfluthrin + ClothianidinI B
Poncho Pro 5272-60ClothianidinI B
Poncho ungefärbt5429-00ClothianidinI B
Smaragd5275-00ClothianidinI B
Legende: B = Bakterizid · I = Insektizid

Was unternehmen eigentlich die deutschen Bieneninstitute dagegen? Das International Apis Health Assessment Comittee (IAHAC), Teil der International Commission for Plant-Bee Relationships (ICP-BR) und die Vereinigung einiger europäischer Bienenforschungsinstitute zum Zwecke des Wissensaustausches über Bienen, dankt auf seiner Website einigen Sponsoren "for continuing support", darunter BayerCropScience und Syngenta, den führenden Herstellern von Agrogiften (s. o.) und genmanipulierten Pflanzen!

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