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Umwelt- & Verbraucherschutz: 9-€-Ticket & 49-€-Ticket

2022 wurde für 9 Euro ein Monatsticket eingeführt, das für drei Sommermonate – Juni, Juli und August 2022 – erhältlich war. Das Angebot war einerseits als Entlastung für Abonnenten gedacht, die mit 27 € für ein Vierteljahr nur einen Bruchteil des Preises regulärer Monatskarten zahlen brauchten, andererseits sollte es – so die Erwartungen von Umweltschützern – auch neue Kundenkreise für den Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) interessieren.

9-Euro-Tickets

1. Das 9-€-Ticket

Aufgrund des konkurrenzlos niedrigen Preises von unter 10 € für einen ganzen Monat fand das 9-€-Ticket großen Anklang: Insgesamt wurden ca. 52 Millionen Karten verkauft, hinzu kamen etwa zehn Millionen Zeitkarten-Abonnements, die automatisch in drei 9 €-Tickets umgewandelt wurden. Bald stöhnten die Bahn-Bediensteten über allzu volle Züge und Tourismus-Manager etwa auf Sylt über allzu viele Tagestouristen, und mancher Reisewillige mußte auf den nächsten, hoffentlich weniger überfüllten Zug warten. Die ohnehin marode, unterfinanzierte deutsche Bahn kam schnell an – und über – ihre Grenzen.

Während und nach der 9-€-Monate wurden Kauf und Nutzung des Billigtickets beobachtet und die Gründe für seinen überraschend großen Erfolg analysiert und diskutiert, teils bejubelt und teils kritisch kommentiert.

2. Das 49-€-Ticket

Wer ernsthaft erwartet hatte, die sog. Ampelkoalition (SPD + Die Grünen + FDP) würde die drei Monate, in denen sich der große Erfolg des 9-€-Tickets von Woche zu Woche immer deutlicher zeigte, für intensive Gespräche und Planungen eines Nachfolge-Tickets nutzen, der sah sich im August getäuscht: Es gab Forderungen nach einer Verlängerung oder einem Nachfolgemodell ebenso wie schroffe Ablehnung:

3. Die Psychologie der Mobilität

Der Vorwurf der "Gratismentalität" ist ein psychologisches Argument, kein finanzpolitisches: Wenn die Nutzung des ÖPNV durch ein 9-€-Ticket quasi "für'n Appel und'n Ei", also gratis sei, dann werde die aus Steuergeldern erbrachte Leistung nicht wertgeschätzt: "Was nix kostet, das ist auch nix". Aber ist die Sorge des Finanzministers um die moralische Verfassung der ÖPNV-Nutzer wirklich glaubhaft? "Gratis" ist das Mobilitätsangebot des ÖPNV natürlich nie, denn es wird ja immer zu 100% bezahlt: entweder auch oder überwiegend oder fast vollständig oder ganz mit Steuergeldern. Zu entscheiden ist immer nur, ob der Bürger die in Anspruch genommenen Transportleistungen unmittelbar (vor Fahrantritt) bezahlt oder mittelbar über seine Steuern:

Welche Fahrkarten-Preise aber wären geeignet, dem ÖPNV zum Durchbruch und Klima-schädlichen Verbrennungsmotoren zu einem baldigen Ende zu verhelfen?

Anders als das 9-€-Ticket kann das 49-€-Ticket eine echte, klimawirksame Verkehrswende – also einen Umstieg vom privaten auf den öffentlichen Verkehr – nicht erreichen, weil vor allem die psychologische Hürde zu hoch ist und sich Menschen auch von der 9 im Preis (statt einer runden 50) nicht täuschen lassen: Sobald ein Bürger ohne Abonnement anfängt zu rechnen, ob sich ein 49-€-Abo lohnt (also preiswerter ist als ein 4er-Ticket oder Einzelfahrscheine), hat die Verkehrswende schon verloren! Gewonnen haben nur Abonnenten, die mit dem 49-€-Ticket weniger zahlen als zuvor. Psychologisch attraktiv erscheinen hingegen maximal 29 € bzw. (ehrlicher) 30 € im Monat, was – psychologisch überzeugend – einem Euro pro Tag entspricht. Warum?

Ein massenweiser Umstieg auf die "Öffis" gelingt nicht, weil oder wann Bürger rechnen – er kann nur gelingen, weil oder wann sie nicht rechnen bzw. gar nicht erst in Versuchung kommen zu rechnen. Der hier wirksame psychologische Mechanismus ist seit langem von Autofahrern bekannt und würde auch bei potentiellen ÖPNV-Kunden greifen:

Natürlich gehört zu einem attraktiven ÖPNV mehr als nur ein spontan akzeptabler, niedriger Preis: Die Verkehrsmittel – Busse, Straßenbahnen, Schwebebahnen, Züge etc. – müssen als echte Alternative zum Pkw möglichst überall vorhanden, technisch zuverlässig und pünktlich, bequem und sauber sein, in einem engen Takt verkehren, der auf andere Verkehrsmittel abgestimmt ist, als Pflichtaufgabe dauerhaft finanziert sein ... und es muß genügend engagiertes, gut bezahltes Personal geben. Ein Blick über die Schweizer Grenze lehrt, daß das kein Wunschdenken ist!


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