Sperlinge/Sperlingsvögel – Passeridae
Ordnung: | Passeriformes Linnaeus 1758 – Sperlingsvögel |
Unterordnung: | Passeri bzw. Oscines Linnaeus 1758 – Singvögel |
Familie: | Passeridae Illiger 1811 – Sperlinge |
Gattung: | Passer Brisson, 1760 – Sperling |
Arten: |
Passer domesticus (Linnaeus 1758) – Haussperling
Passer italiae (Vieillot 1817) – Italiensperling [Status umstritten]
Passer hispaniolensis (Temminck 1820) – Weidensperling
Passer iagoensis (Gould 1838) – Kapverdensperling
Passer montanus (Linnaeus 1758) – Feldsperling
und 21 weitere Arten |
Sperlinge bzw. "Spatzen" sind kleine und von weitem eher unscheinbare grau-braune Körnerfresser mit klobigem grauen Schnabel, die ihre Jungen aber mit Insekten füttern. Überwiegend Standvögel (keine Zugvögel), bevorzugen sie offene Landschaften, sind sozial und oft Koloniebrüter. Weltweit sind 36 Arten in 4 Gattungen bekannt, die aufgrund von Genanalysen mit den Stelzen (Motacillinae), Braunellen (Prunellinae), Webervögeln (Ploceinae) und Prachtfinken (Estrildinae) näher verwandt sind und folglich als Unterfamilien (Endung -inae) in eine übergeordnete Familie (-idae) zu stellen wären. Die beiden in Mitteleuropa bekanntesten Arten sind ausgesprochene Kulturfolger; sie treten allerdings selten Seite an Seite auf: Den deutschen Artbezeichnungen entsprechend ist der Haussperling (Passer domesticus) eher ein Stadtvogel und der Feldsperling (Passer montanus) eher ein Landvogel, was allerdings nicht dem wissenschaftlichen Art-Epitheton montanus ('Berg...') entspricht.
|
|
|
Haussperling auf einem Nistkasten · weitere |
|
Rufender Haussperling (Passer domesticus) |
Spatzen und Menschen
Tierarten, die ob geliebt oder gehaßt schon lange Zeit mit dem Menschen leben, haben meist viele lokale Namen. Die volkstümlichen Namen des Haussperlings verraten auch einiges über unser Verhältnis zu dieser Vogelart, das lange vor allem von Haß und Verfolgung geprägt war:
- "Korndieb", "Gerstendieb", "Speicherdieb" etc.: wegen seiner Nahrungsökonomie auf Feldern etc.
- "Leps": Herkunft dem Autor unbekannt
- "Lüning": norddeutsch 'der Lärmende'
- "Mistfink": wegen seiner Gewohnheit, auf Misthaufen bzw. in Dung nach Körnern zu picken
- "Mösche" bzw. "Müsche" (von mussce [møsche], 1400 in Köln schriftlich erwähnt, < vulgärlateinisch muscio = 'Spatz')
- "Spatz" (ursprünglich Verkleinerungsform von Sperling)
Seit der Antike ist der Spatz auch Sinnbild der sexuellen Zügellösigkeit, das der Göttin Aphrodite zugeordnet und in erotischem Kontext altgriechischer Kunst Verwendung fand. Spatzenhirn galt im Mittelater als Aphrodisiakum. Geringschätzung des Spatzen spricht auch aus folgenden Metaphern und Redewendungen:
- Du Dreckspatz! (Sperlinge nehmen Staubbäder zur Gefiederreinigung.)
- Er ist frech wie ein Spatz! (Sein unmelodisches Tschilpen erinnert an Schimpfen.)
- Ein Spatz in der Hand ist besser als eine Taube auf dem Dach!
- Du mit Deinem Spatzenhirn! Spatzenkopf! (Ausdruck des Leichtsinns)
- Du hast wohl Spatzen unterm Hut! (einen Spleen, sonderbare Ideen, Launen)
- Das heißt mit Kanonen auf Spatzen schießen!
- Es war eine Spatzenmahlzeit! (kaum der Rede wert)
- Willst Du aus einem Spatz eine Nachtigall machen?
- Das pfeifen die Spatzen von den Dächern! (aber: Domspatzen!)
Später wandelte sich das Spatzenimage: Sympathie und Bewunderung wurden ausgelöst durch den Selbstbehauptungswillen des kleinen Davids gegenüber viel größeren Vögeln (Hühnern, Tauben, Staren), durch seinen Zusammenhalt im Schwarm, durch den vielstimmigen Lärm einer vor Lebensfreude sprühenden Brutkolonie in einer Efeu-bewachsenen Wand und selbst durch sein Aussehen: Bei genauem Hinsehen entpuppte sich der einstige Dreckspatz als ein schöner, kontrastreich in Erdfarben gefärbter Vogel, der zwar keine blauen, roten oder knallgelben Gefiederpartien aufweist, es aber auch aus menschlicher Sicht selbst mit vielen exotischen Ziervögeln "aufnehmen" kann. (Wer anderer Meinung ist, sollte einmal zu erklären versuchen, was Menschen an einem grünen oder blauen Wellensittich finden, der genauso "schlecht" singt bzw. tschilpt, aber weniger kontrastreich gefärbt ist.)
|
Auch Hausspatzen (Passer domesticus) profitieren vielerorts vom Tourismus · Rostock, 19.07.2012 |
Spatzen-Erlebnisse
Mit Spatzen ist der Autor auf einer Hühnerfarm großgeworden: Da Hühner damals in den fünfziger und sechziger Jahren noch ganz "unmodern" nachts in geräumigen Gemeinschaftsställen und tagsüber auf großen umzäunten Wiesen gehalten wurden, konnten sich die Sperlinge überall ihren Anteil sichern: in und um die Futterkrippen herum, auf den Wegen, wo Körner beim Transport verloren gingen, und selbst im Futterlager.
Trotz der großen Nähe zum Menschen blieben sie aber stets auf der Hut: Ein Stock in der Hand, der vielleicht an ein Luftgewehr erinnerte, ließ den ganzen Schwarm sofort verschwinden. Verständlich, daß sich die gängige Antipathie gegen Spatzen und Hühnerhabichte auch auf den Autor übertrug. Schuldbewußt erinnert er sich noch heute, wie er als Kind einmal eine lange Körnerreihe über den Weg und eine Hühnerleiter hinauf bis in einen kleinen leeren Hähnchenstall legte: Die Spatzen folgten der nahrhaften Spur, und kaum waren sie im Stall, sauste die Falltür, durch einen langen Bindfaden ausgelöst, herunter und schnitt ihnen den Fluchtweg ab. Der sich anschließende Fang kostete zwei Vögel das Leben: Herzschlag!
|
Zwei junge Spatzen (Passer domesticus) an einer Vogeltränke im Garten · Much, 01.08.2008 |
Gefährdung und Schutz
- Nistplatzmangel: "Moderne" Bauweisen mit glatt verputzten oder verklinkerten Wänden lassen keine Nischen mehr unter Dachvorsprüngen etc., und Ersatznisthilfen für einen "Allerweltsvogel" wie den Sperling werden noch seltener montiert als solche für Mauersegler und Schwalben.
- Nahrungsmangel: Hühner- oder Pferdehaltung wird als Nebenerwerb oder Hobby kaum noch praktiziert, und Wildkrautsamen und Insekten sind kaum noch verfügbar, da "Unkraut" schon wegen des befürchteten der Samenflugs bekämpft wird und echte Biogärten für Wildpflanzen und -tiere nur von echten Naturfreunden unterhalten werden.
- Vergiftung: Als Körner- und Insektenfresser fällt der Spatz immer wieder und in großem Ausmaß dem Pestizid-Einsatz in der Landwirtschaft zum Opfer.
- Habitatmangel: In einer "sauberen", "ordentlichen" Landschaft werden in unseren Gärten und selbst auf dem Lande Staubmulden und Pfützen eingeebnet und asphaltiert oder in Rasen verwandelt: Für Staub und Wasserbäder bleibt da kein Platz mehr.
- Beutegreifer: Eine natürliche Regulierung durch Greifvögel (Sperber) oder Raubsäuger (Wildkatzen, Marder) kann den Sperling nicht gefährden. Die Hauskatze jedoch vermag örtliche Populationen erheblich zu dezimieren, da sie als Futterhilfe-Empfänger der Futtermittel-Industrie in viel größerer Zahl als die Wildkatze auftreten und sich mit dem sicheren Freßnapf zu Hause die Vogeljagd leisten kann. Hinzu kommt, daß in den Vororten der Städte in Wohngebieten und an Straßen bis zu viermal mehr Vögel vorkommen können als auf dem Lande heutiger Prägung.
Aus dieser Liste lassen sich die nötigen Schutzmaßnahmen leicht ableiten:
- Brutnischen bzw. spezielle Einbau-Niststeine bei Neubau- oder Renovierungsmaßnahmen vorsehen oder nachträglich Nistkästen montieren.
- Einen Naturgarten mit einer großen Zahl heimischer Kräuter, Stauden und Sträucher anlegen und teilweise sich selbst überlassen.
- Im eigenen Garten auch eine "Drecksecke" belassen, wo sich Spatzen im Sand oder Staub ihr Gefieder pflegen können.
- Jeglichen Gifteinsatz vermeiden und sich engagiert für eine ökologische Landwirtschaft einsetzen.
- Keine Hauskatzen in der Natur dulden: Haustiere gehören, wie der Name sagt, ins Haus bzw. unter die Kontrolle des Menschen; Haushunde würde man auch nicht frei im Wald jagen lassen.
Haus- & Feldsperling und seine Verwandten:
Der bekanntere Haussperling (Passer domesticus) hat, wie erwähnt, bei uns einen etwas kleineren Verwandten: Der Feldsperling (Passer montanus) ist im Vergleich weniger an den Menschen angepaßt und scheuer. Gut zu erkennen ist er an seinem braunen Oberkopf, das von einem weißen Halsband begrenzt wird, außerdem an seiner schwarzen Kehle, einem schmalen schwarzen Unteraugenstreif und einem schwarzen Fleck auf den weißen Wangen. Im Süden gibt es noch weitere Verwandte:
- "Italiensperling" (P. domesticus italiae): italienische Unterart des Haus- oder (?) Weidensperlings
- Weidensperling (Passer hispaniolensis): Mittelmehrraum, ähnelt dem Feldsperling
- Steinsperling (Petronia petronia): vegetationsarme, oft steinige Trockengebiete am Mittelmeer
- Schneefink (Montifringilla nivalis): Alpen bis 3100 m Höhe; bis max. 19 cm lang.
Literatur:
- Gattiker, Ernst & Luise (1989): Die Vögel im Volksglauben. Eine volkskundliche Sammlung aus verschiedenen europäischen Ländern von der Antike bis heute. AULA-Verlag, Wiesbaden.
- Jette Anders, Jette (2017): Eine kleine Kulturgeschichte des Spatzen. Vergangenheitsverlag, Berlin. (ISBN: 978-3864082214)
- Westphal, Uwe (2016): Mehr Platz für den Spatz: Spatzen erleben, verstehen, schützen. Mit Bauanleitungen für Nisthilfen. pala verlag gmbh, Darmstadt. (ISBN: 978-3895663536)
Verweise:
Falls am linken Bildschirm-Rand keine Verweisleiste zu sehen ist, klicken Sie bitte auf , um den gesamten Frameset anzuzeigen.