Spinnennetze
Funktionen der Gespinste
Laien halten oft das Spinnennetz für das typische wenn nicht einzige Werkzeug der Spinnen zum Fangen ihrer Beute, zumal die Sekretion der Spinnenseide und der Bau des Netzes ja als "Spinnen" bekannt ist. Tatsächlich bauen nicht alle Spinnen Netze, und das spiralförmige Radnetz, das uns etwa von der Gartenkreuzspinne vertraut ist und als Prototyp des Spinnennetzes erscheint, ist bei weitem nicht die einzige Gespinstart, die "Webspinnen" (Ordnung Araneae) weben:
- Etliche Spinnenarten benötigen gar kein Netz für den Beutefang, sie überwältigen und töten ihre Beute, indem sie entweder an geeigneten Stellen regungslos warten, bis jene in Reichweite kommt, oder sich vorsichtig an die Beute heranpirschen. Zu finden sind solche Spinnenarten typischerweise unter den Wolfsspinnen (Familie Lycosidae), den Springspinnen (Salticidae), den (häufig in/an/unter Blüten zu entdeckenden) Krabbenspinnen (Thomisidae) und den nachtaktiven Sackspinnen (Clubionidae).
- Springspinnen (Salticidae) und Jagdspinnen (Pisauridae) bauen mit ihren Spinnfäden Eikokons und nutzen sie als Sicherungsleinen und zur Kommunikation zwischen den Sexualpartnern.
- Größere Gespinste werden von den Angehörigen vieler Spinnenfamilien als Unterschlupf (Retraite) hergestellt, in dem die Spinne außerhalb von Phasen des Nahrungserwerbs Ruhe findet oder Schutz vor Unwetter oder Freßfeinden sucht oder ihren Nachwuchs bewacht.
- Die meisten Spinnenarten allerdings konstruieren artspezifische Netze zum Zweck des Beutefangs. Die Konstruktionen könnten unterschiedlicher nicht sein.
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Netzteppich der Baldachinspinnen (Linyphiidae) · Solingen, 21.09.2003 |
Gespinsttypen
Die Form eines Gespinstes bzw. Netzes ist nicht Ausdruck individueller Anpassung einer Spinne an die jeweilige Umgebung, sondern genetisch fixiert, also ein artspezifisches Merkmal. Folgende Typen lassen sich finden (frei nach Bellmann: Spinnen beobachten, bestimmen):
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Argiope-Netz · SG, 12.08.2007 |
- Gespinstkörper am/im Boden:
- Schlauch unterirdisch: Gespinströhre, deren Eingang von einem Gespinst überdacht ist (Gattung Eresus)
- Schlauch über- & unterirdisch: geschlossene Gespinströhre, die sich unterirdisch fortsetzt ("Tapezierspinnen": Gattung Atypus)
- Sack versteckt unter Baumrinde oder Steinen oder zwischen Blättern, geschlossen (Clubionidae, Drassodidae, Dysderidae, Salticidae)
- Iglu getarnt: frei errichtetes, allerdings mit Pflanzenteilen, Steinchen etc. kaschiertes Wohngespinst (Familie Theridiidae)
- Unterwasserglocke: ein glockenförmiges Netz, das eine Luftblase einschließt und so Auftrieb bekommt (Argyroneta)
- Haube: haubenförmig, in der Spitze eine Retraite, nach unten Klebfäden (Familie Theridiidae)
- Decke / Teppich:
- Deckennetz seitlich verspannt: unregelmäßige Gespinstdecke, nach unten Klebfäden (Familie Theridiidae, Gattung Nesticus)
- Deckennetz unten verspannt: von unten verspannte Gespinstdecke, darüber oft Signalfäden (Familie Linyphiidae)
- Trichter: horizontales Trichternetz, das sich in einer Röhre fortsetzt (Agelinidae, Amaurobiidae; Segestria, Aulonia)
- Gespinst vertikal, unregelmäßig, zwischen Pflanzenteilen fixiert, Retraite im Zentrum (Familie Theridiidae, Gattung Dictyna)
- Rad (Ausrichtung, Vollständigkeit, Form):
- vertikal, vollständig, Nabe geschlossen (Familie Araneidae)
- vertikal, vollständig, Nabe offen (Gattungen Meta, Metellina, Tetragnatha)
- vertikal, vollständig, zickzackförmiges Stabiliment über & unter geschlossener Nabe (Gattung Argiope)
- vertikal, vollständig, gerades Stabiliment über & unter geschlossener Nabe (Gattung Cyclosa)
- vertikal, unvollständig: ausgesparter Sektor, statt dessen Signalfaden (Gattung Zygiella)
- vertikal, unvollständig: nur drei Sektoren, die in einen Signalfaden auslaufen (Gattung Hyptiotes)
- vertikal bis horizontal, vollständig, tricherförmig gespannt durch Signalfaden an der Nabe, Radien gegabelt (Gattung Theridiosoma).
- horizontal, vollständig, 2 oder 3 gerade Stabilimente über & unter geschlossener Nabe (Gattung Uloborus)
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Radnetz der Gartenkreuzspinne (Araneus diadematus) · Solingen, 30.08.2016 |
Fadentypen
Spinnenseide besteht vor allem aus Biopolymeren bzw. Proteinen (Fibroin und Sericin): Makromolekülen, die aus linearen Ketten sich wiederholender Einheiten aufgebaut sind. Hinzu kommt Natriumchlorid (Kochsalz), das während der Passage der Seide durch den Spinnkanal eine Rolle spielt. Bezogen auf ihr Gewicht ist Seide viel belastbarer und zugleich wesentlich elastischer als etwa Stahl: In der Länge kann sie um das Dreifache gedehnt werden, ohne zu reißen. Allerdings extrudieren bzw. pultrudieren die Spinndrüsen kein "Universaltalent", das alle Aufgaben der Spinnenseide erfüllen könnte, sondern verschiedene Seiden- bzw. Fadentypen:
- sehr stabile Fäden für die Grundstruktur eines Netzes und als Sicherungsfäden
- Fäden für die Hilfsspirale bei der Netzkonstruktion
- besonders elastische Fäden für den Achsenfaden der Fangspirale
- Klebefäden zum Anheften des Sicherungsfadens
- feine Seidenfäden zum Einspinnen der Beute und weichen Auskleiden des Eikokons
- zähe Seidenfäden für die Hülle des Eikokons
- Kleber für die Fangspirale (nicht bei cribellaten Arten, sie statt dessen feinste Seidengespinste verwenden).
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Trichternetz der Trichterspinne (Agelena labyrinthica) · Solingen, 16.08.2016 |
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