Menschen und Spinnen
Arachnophobie
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Vogelspinnen sind groß und behaart – und harmlos |
Von der Arachnophobie bzw. Spinnenphobie, wie die Furcht vor Spinnen auch genannt wird, hat jeder schon einmal gehört, und manch einer hat schon die panische Angstreaktion eines Betroffenen auf eine Spinne miterlebt und sich gewundert – wenn er nicht selbst zu den Betroffenen gehört. Tatsächlich ist die Arachnophobie die weltweit verbreitetste spezifische Phobie, wie eine psychische Störung genannt wird, die sich auf konkrete Objekte, Orte oder Situationen richtet. Unklar ist, wie bzw. warum diese als Stimuli fungieren und Furcht z. B. vor Spinnen (Arachnophobie), Insekten (Entomophobie), Schlangen und andere Reptilien (Herpetophobie) etc. auslösen können. Es gibt dazu drei Theorien:
- Evolutionsbiologen spekulieren, die Spinnenphobie könnte auf die Frühzeit der menschlichen Entwicklung zurückgehen, als in Afrika Spinnen tatsächlich eine Gefahr (insbesondere für Kinder) waren, und im Erbgut fixiert worden sein.
- Vorstellbar ist auch, daß das unerwartete Auftauchen und die geräuschlose und unkalkulierbare Fortbewegung der Spinnen der Stimulus ist: Auch Menschen ohne Spinnenphobie überkommt kein spontanes Wohlgefühl, wenn eine Spinne unerwartet über ihre Schulter oder ihr Kopfkissen krabbelt.
- Eine Rolle spielt sicherlich auch das elterliche Vorbild: Wenn eine Spinne bei Mutter und Vater Panik auslöst, lernen Kinder diese Reaktion und geben sie später an die nächste Generation weiter. Demnach wäre die Arachnophobie "nur" eine Tradition. Für diese Theorie spricht auch die Beobachtung, daß diese Angststörung typischweweise in Zivilisationen auftritt, aber kaum unter Naturvölkern.
Wo auch immer die Ursache der Arachnophobie zu finden sein könnte: Die Furcht ist objektiv nicht gerechtfertigt, Spinnen greifen den Menschen nicht an, die heimischen Arten können seine Gesundheit nicht ernsthaft gefährden, nur in den Subtropen und Tropen gibt es einige wenige Arten, deren Biß für den Menschen gefährlich ist.
Diese rationale Erkenntnis hilft allerdings den Betroffenen in der Regel nicht, da die Arachnophobie ja nicht die Folge einer rationalen Fehleinschätzung ist, sondern sich unwillkürlich, automatisch Bahn bricht. Helfen kann allerdings eine "Konfrontationstherapie": Der Therapeut führt den Patienten an den Auslöser seiner Phobie, also Spinnen, heran, indem er über diese Tiere spricht, Bilder oder einen Film zeigt und sich schließlich mit dem Patientin auch räumlich einer Spinne nähert. Irgendwann, meist schon nach wenigen Sitzungen, fühlt sich der Betroffene in Anwesenheit der Spinne nicht mehr unwohl und kann sie sogar anfassen.
Im übrigen gilt: Vorbeugen ist besser als Heilen. Dieses Sprichwort des Arztes Christoph Wilhelm Hufeland († 1836) hilft auch, Furcht oder Ekel vor Spinnen gar nicht erst entstehen zu lassen. Wer seinen Kindern einen entspannten Umgang mit diesen Tieren vorlebt und sie ebenso als Teil der Natur behandelt wie Bienen und Schmetterlinge, wird keinen Angstschrei aus dem Kinderzimmer hören, wenn dort in der Ecke oder unter der Decke eine Spinne auf Beute lauert und uns Menschen damit vielleicht sogar einen Dienst erweist.
Gefährliche Spinnen
Weltweit werden jährlich mindestens 6000 durch Skorpione und über 1200 durch Honigbienen und Wespen registriert, aber maximal zehn Todesfälle durch Spinnen:
- Latrodectus tredecimguttatus: die am Mittelmeer vorkommende "Europäische Schwarze Witwe" ist an ihren 13 hell umrandeten roten Flecken auf dem ansonsten schwarzen Hinterleib zu erkennen – ein Merkmal, das auch ihr wissenschaftlicher Artname beschreibt. Die Weibchen werden gut 10 mm lang, die Männchen nur 4–5 mm. Die Art lebt am Boden und spinnt ihr Fangnetz zwischen Grashalmen und niedriger Vegetation. Ihr Gift scheint etwas stärker zu sein als das einer Wespe, Todesfälle sind extrem selten. Ein weiteres Beispiel ist die bekannte – ursprünglich nur in Nordamerika, heute auch in Südamerika und Asien vorkommende – Südliche Schwarze Witwe (Latrodectus mactans): Der Biß eines Weibchens ist für kranke und ältere Menschen wie auch Kinder problematisch.
- Atrax robustus: Die im weiblichen Geschlecht bis 35 mm lange "Sydney-Trichternetzspinne" zählt innerhalb der "Webspinnen" (Ordnung Araneae) zur Unterordnung Mygalomorphae ("Vogelspinnenartige"). Sie lebte ursprünglich in der feuchten, schattigen Hartlaubvegetation zwischen den Blue Mountains und der Botany Bay in New South Wales und ist heute in Gärten und Parks von Sydney und der weiteren Umgebung dieser Fünf-Millionen-Stadt zu finden. Die Tiere bewohnen tunnelartige Erdlöcher, die sie mit trichterförmigen Fangnetzen auskleiden; zum Beutespektrum zählen auch kleine Amphibien und Reptilien. Ihr Gift ist für viele Säugetiere kaum wirksam, wirkt aber stark, unter Umständen sogar tödlich auf das Nervensystem des Menschen. Da mittlerweile ein Gegengift zur Verfügung steht, gibt es seit Jahrzehnten keine Todesfälle mehr.
- Phoneutria nigriventer: Die "Brasilianische Wanderspinne" bzw. "Bananenspinne" ist die gefährlichste Spinne weltweit. Die nachtaktive Art baut keine Fangnetze, sie jagt im Lauf Beutetiere bis zur Größe kleiner Nagetiere, hält sie fest und injiziert ihr tödliches Gift. Größere Tiere aus ihrem Beutespektrum spinnt sie ein. Ein Biß kann bei Menschen Erbrechen, Durchfall, Nerven- und Herzrhythmusstörungen, Lungenödeme, Schweißausbrüche etc. verursachen und ohne Behandlung den Tod. Ihre Gefährlichkeit resultiert – anders als bei Vogelspinnen – auch aus ihrer Bereitschaft, sich durch Bisse zu verteidigen, wenn sie in einem Tagesversteck aufgestöbert wird und sich bedroht fühlt.
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Die harmlose "Nosferatu-Spinne" (Zoropsis spinimana ) hat keine Schuld an ihrem Namen · 08.11.2024 |
Nutzen der Spinnen
Jenseits subjektiver Empfindlichkeiten sind Spinnen alles andere als gefährlich, lästig etc., sondern aus ökologischer wie auch anthropozentrischer Perspektive sehr nützlich:
- als Prädatoren: Spinnen leben in extrem hohen Arten- und Individuenzahlen in fast allen Landlebensräumen der Erde: in Gebirgen, Ebenen und Wüsten, in Wiesen und Wäldern und an Ufern, in Höhlen, auf Gletschern und in der Gezeitenzone, und eine bekannte Art, die Wasserspinne Argyroneta aquatica, lebt und jagt sogar unter Wasser in Seen und langsamen Fließgewässern. Als Karnivoren ernähren sie sich vor allem wirbellosen Tieren (Invertebrata) und hier vor allem von Gliederfüßern (Arthropoda), also meist von Insekten, aber auch von anderen Spinnenarten; einige wenige nutzen auch Würmer, Schnecken oder kleine Wirbeltiere, und einige Vegetarier unter ihnen sogar Pollen.
Als Insektenräuber sind Spinnen also ein zentraler natürlicher Regulator sowohl in der Biozönose als auch der menschlichen Landwirtschaft.
- in der Medizin: Nicht einmal ein Prozent aller Spinnen weltweit können dem Menschen mehr oder weniger gefährlich werden. Umgekehrt bergen Spinnengifte ein noch längst nicht erforschtes und ausgeschöpftes medizinisches Potential, etwa als Medikament gegen die Spätfolgen des Schlaganfalls.
- in der Physik: Spinnfäden sind sehr belastbar (fest elastisch); da der menschliche Körper sie gut verträgt und nicht abstößt, sollen sie u. a. für die Wundheilung eingesetzt werden.
- als Nahrung: Indigene Völker tropischer Regionen nutzen seit jeher Vogelspinnen als Proteinlieferanten; in manchen Gegenden Südamerikas und Asiens werden diese großen Spinnen heute noch (oder wieder?) gegessen und sogar als Nahrungsmittel auf Märkten verkauft. Zu hoffen ist, daß solche Entnahmen aus der Natur nicht zum Massentrend werden und so die betroffenen Arten und mit ihnen das ökologische Gleichgewicht gefährden.
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