Säugetiere: Situation in Deutschland
Gegenüber dem Menschen haben Säugetiere eine eher heimliche (versteckte oder nächtliche) Lebensweise, viele, vor allem die kleineren Arten sind daher kaum oder gar nicht bekannt. Dennoch werden vor allem die größeren Säugetier-Arten meist intensiver wahrgenommen als die meisten anderen Tiergruppen; nur Vögel fallen durch ihre Allgegenwärtigkeit und Sichtbarkeit noch mehr auf. Immerhin 94 Säugetierarten sind in der Bundesrepublik nachgewiesen worden. Sieben davon bis auf den Nerz alles Großsäuger wurden schon vor Jahrhunderten ausgerottet, die meisten übrigen sind vom Aussterben bedroht oder mehr oder weniger stark gefährdet unter ihnen alle 22 Fledermausarten sowie drei Meeressäuger! Die aktuelle Rote Liste gefährdeter Tiere Deutschlands (siehe Literatur) weist eine Verschlechterung der Bestandssituation beim Feldhamster, beim Feldhasen, bei der Sumpfspitzmaus und der Zwergmaus auf, aber auch eine Verbesserung bei Fledermäusen durch Naturschutzmaßnahmen, was beweist, wie wichtig Engagement für den Natur- und Artenschutz ist.
Die bedenkliche Situation der heimischen Säuger hat wie bei anderen Tiergruppen mit uns Menschen zu tun: Wir machen natürliche Lebensräume zu Wirtschafts-, Verkehrs-, Freizeiträumen und zerstören sie sogar aus einem fehlgeleiteten ideologischen Ordnungssinn; aus natürlichen Tierhabitaten werden so unnatürliche Menschenhabitate. Hinzu kommt ein oft "gestörtes" Verhältnis von uns menschlichen Säugetieren zu unseren "säugenden Verwandten": Die meisten Arten werden verachtet oder gefürchtet, direkt verfolgt, bestenfalls ignoriert; der einst ausgerottete und inzwischen zurückgekehrte Wolf ist uns mit seiner Intelligenz, seiner Sozialstruktur etc. zwar am ähnlichsten, manchen Menschen aber immer noch geradezu verhaßt (etwa, weil er uns so ähnlich ist?). Viele der vermeintlichen "Problemarten" werden in der Arten-Rubrik vorgestellt.
- Der Braunbär (Ursus arctos) wurde in Deutschland im 19. Jahrhundert ausgerottet und wird (noch) nicht wieder offiziell der heimischen Fauna zugerechnet; der erste wieder in die Alpen eingewanderte Bär wurde 2006 prompt als "Problembär Bruno" zum Abschuß freigegeben. Tatsächlich wäre ein gereizter Bär aufgrund seiner Kraft das für Menschen gefährlichste wildlebende Landraubtier – wenn es zu einem gefährlichen Konflikt käme. Die statistische Wahrscheinlichkeit eines Angriffs läge allerdings weit unter der eines tödlichen Verkehrsunfalls.
- Delphine (Delphinidae) kommen weltweit in fast 40 Arten vor; ihre Körperlängen reichen von anderthalb bis zu acht Metern. Alle Arten sind sozial und schnelle Raubtiere, die sich vor allem von Fischen und Kalmaren ernähren. Die bekannteste Art ist der "Große Tümmler" (Tursiops truncatus), der durch die TV-Serie Flipper in den 1960er Jahren weltberühmt wurde und uns das Bild eines stets freundlich lächelnden Menschenfreundes vermittelte. Die Realität ist freilich eine andere: Delphine können sich nicht nur effektiv gegen Haie verteidigen, sondern auch untereinander recht aggressiv werden – und sie können Menschen gefährlich werden: Durch Stöße mit der Schnauze oder Schläge mit der Schwanzflosse werden jedes Jahr Schwimmer schwer verletzt und manchmal sogar getötet. Darüber spricht man allerdings nicht gerne – lieber erzählt man das Märchen vom "bösen Wolf".
- Das Eurasische Eichhörnchen (Sciurus vulgaris) ist als "putziger" Park- und Gartenbesucher eines der wenigen Säugetiere, die sich allgemein großer Beliebtheit erfreuen – trotz gelegentlicher Berichte über Vogeleier und Jungvögel als Teil des Nahrungsspektrums.
- Fledermäuse sind aufgrund ihrer nächtlichen Aktivitäten den meisten Menschen kaum aus eigenem Erleben bekannt, obwohl insbesondere die Zwergfledermaus (Pipistrellus pipistrellus) schon in der Dämmerung und auch in Städten in ihrem typischen Zickzack-Flug zu beobachten ist. Dennoch gibt es auch im 21. Jahrhundert überlieferte gefühlsmäßige Vorbehalte gegen diese wichtige Tiergruppe: Angst vor der bloßen Berührung, vor Bissen, vor Infektionen – oder einfach nur ein unbestimmtes Gefühl des Unwohlseins.
- Der Braunbrust-Igel (Erinaceus europaeus) hat ein durchweg positives Image; dem Straßenverkehr aber zahlt er einen hohen Blutzoll, er leidet unter dem sorg- wie sinnlosen Umgang mit Giften, und ein ausgeräumter, "gepflegter" Ziergarten ist kein geeigneter Lebensraum.
- Die Wildkatze (Felis silvestris silvestris) hat Glück, sie leidet nur versehentlich (als Verkehrs- oder Verwechslungsopfer) unter dem Menschen – wohl deshalb, weil es viele Katzenliebhaber gibt, die ihren "Haustigern" ebenso wie Wildkatzen selbst das nicht übelnehmen, was bei Rabenvögeln als Vorwand für ihre Verfolgung herhalten muß: die Jagd auf Vögel.
- Der Eurasische Luchs (Lynx lynx) ist als mittelgroße Katzenart erheblich größer und schwerer als die Europäische Wildkatze und daher prompt Kandidat für die illegale Verfolgung durch Landwirte und vor allem Jäger, die Rehe, Füchse, Marder, Kaninchen etc. gerne selbst schießen.
- Marder sind in Fernseh-Dokumentationen interessante Beutegreifer, aber einen Steinmarder (Martes foina) sieht man ungern in der Nähe seines Autos.
- Mäuse sind als Zeichentrickfiguren und Kosewörter (und Versuchs-"Kaninchen" im Labor) sehr beliebt; im eigenen Haus aber werden sie konsequent verfolgt – nicht ohne guten Grund.
- Die (oder auch das) Nutria (Myocastor coypus) (auch: Biberratte oder Coypu) ist ein Neubürger aus Südamerika und nur knapp halb so schwer wie ein Biber. Aus Pelzfarmen entkommene Tiere konnten sich teilweise stark vermehren, mitteleuropäische Populationen hatten aber lange Probleme, harte Winter zu überstehen. Die Haltung der Bevölkerung ist zweigeteilt: In Parks und an Gewässern werden Nutria-Familien mit Alt- und Jungtieren gerne beobachtet und gefüttert; andererseits werden sie gefangen oder bejagt, weil sie Deiche und Uferböschungen unterhöhlen und Röhrichte schädigen.
- Ratten könnten kaum ein schlechteres Image haben. Ihre Gefährlichkeit für den Menschen war in früheren Zeiten größer als heute; ihre Intelligenz und Fortpflanzungsfreude sichert ihnen trotz aller Verfolgung das Überleben in menschlicher Nähe; einige haben es sogar zum Haus- und Schmusetier geschafft.
- Der Seehund (Phoca vitulina) – und auch die größere Kegelrobbe (Halichoerus grypus) – hat unter weiten Teilen der Bevölkerung zwar heute ein positives Image, doch unterliegt er immer noch dem Jagdrecht und wird gelegentlich von Fischern verfolgt.
- Der Waschbär (Procyon lotor) ist ein "Neubürger" aus Nordamerika, ein – zunächst aus Naturfilmen bekanntes – putziges Pelztier mit Zorro-Maske, das alles Eßbare wäscht. Die Begeisterung leidet allerdings, wenn die lustigen Kumpane zum wiederholten Male den Mülleimer vor dem Haus ausräumen, und Biologen und Naturfreunde sind noch weniger begeistert ob der Schäden, die Waschbären der heimischen Tierwelt zufügen.
- Das Wildschwein (Sus scrofa) ist im Hinblick auf eine direkte körperliche Konfrontation die gefährlichste wildlebende Säugetierart. Der Grund liegt einerseits in ihrer Größe, Kraft und Bewehrung: die gebogenen Eckzähne werden im Oberkiefer des Keilers bis zu 17 cm lang; anderseits werden Wildschweine – im Gegensatz zu Bär, Luchs, Wolf und Wisent – als Gefahrenquelle gerne unterschätzt: Immer wieder glauben z. B. Gartenbesitzer, selbst eine Bache mit Jungen mit einem Besen von ihrem eingezäunten Grundstück vertreiben zu können.
- Der Wisent (Bos bonasus) war bis zum Ende des Mittelalters auf dem Gebiet des heutigen Deutschlands verschwunden, konnte aber in Ostpreußen bis 1755 überleben. 1952 wurde er in Polen (Bialowieza) und 2013 in Deutschland (Rothaargebirge) wiederangesiedelt. Panik löste das nicht aus, Waldbesitzern klagten aber sofort, weil die Wildrinder Bäume "schädigten". Als ein Wisent aus Polen die Oder überquerte, wurde er in Brandenburg (Märkisch-Oderland) sofort von Jägern erschossen.
- Der Wolf (Canis lupus) ist, wie alle Statistiken zeigen, für den Menschen ungefährlich. Der (nach dem noch nicht wiedereingebürgerten Braunbären) größte einheimische Landbeutegreifer leidet aber massiv unter jahrhundertelanger Verteufelung, Medienhetze und Lobbyismus von Jägern und Landwirten. Einige Exemplare wurden bereits unter dem Vorwand abgeschossen, sie seien Menschen "zu nahe" gekommen, viele weitere heimlich gewildert.
Falls am linken Bildschirm-Rand keine Verweisleiste zu sehen ist, klicken Sie bitte auf , um den gesamten Frameset anzuzeigen.