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Lautäußerungen: "Stridulieren"

Männliche Eichenschrecke

Definition

Die Verhaltensforschung (Ethologie) unterscheidet zwischen den vokal, d.h. durch Luftstrom bei der Atmung erzeugten Rufen und den mechanisch erzeugten Lauten; mechanische Lauterzeugung, wie sie z. B. im Vogelreich bei Spechten und im Insektenreich bei den Heuschrecken vorkommt, wird als Stridulation bezeichnet. Den Begriff des Gesangs bezieht die Ethologie im allgemeinen auf solche Lautäußerungen, die sich durch eine gewisse Zeitdauer und eine bestimmte Komplexität in ihrem Aufbau auszeichnen und sich dadurch von den einfachen, ein- bis wenigsilbigen Rufen und Lauten unterscheidet. Somit wird auch das "Musizieren" der Heuschrecken als "Gesang" bezeichnet.

Lauterzeugung

Keine andere Insektengruppe läßt so viele verschiedene Gesänge erklingen wie die Heuschrecken, was mit den unterschiedlichen Methoden der Lauterzeugung zusammenhängt:

Unterordnung Ensifera (Langfühlerschrecken)
Fast alle Langfühlerschrecken heben die härteren Vorderflügel leicht an und reiben sie aneinander. Dabei streicht eine "Schrilleiste" mit Querrippen an der Unterseite des oberen Fügels über eine "Schrillkante" auf dem unteren Flügel.
Familie Tettigoniidae · Unterfamilie Meconeminae · Art Meconema thalassinum
Die gemeine Eichenschrecke (s. o.) jedoch winkelt eines ihrer Hinterschenkel (Femur) an und trommelt mit dem Fuß (Tarsus) auf die jeweilige Unterlage.

Unterordnung Caelifera (Kurzfühlerschrecken)
(Die Kurzfühlerschrecken haben etliche andere Methoden entwickelt:)
Familie Catantopidae
Die Knarrschrecken reiben nur die Kauflächen ihrer Mandibeln aneinander und sind daher für den Menschen nur aus der Nähe hörbar.
Familie Acrididae
Die Feldheuschrecken streichen einen oder beide der mächtigen Hinterschenkel (Femur) über die Flügel. Die zur Lauterzeugung notwendige Zahnung befindet sich auf dem Flügel oder Hinterschenkel:
Familie Acrididae · Unterfamilie Locustinae
Die Ödlandschrecken streichen mit einer ungezähnten Leiste auf Hinterschenkel-Innenseite über eine hervorstehende und gezähnte Zwischenader (Vena intercalaris) auf den Vorderflügeln.
Familie Acrididae · Unterfamilie Locustinae · Art Mecosthetus grossus
Nur die Sumpfschrecke streift mit Enddornen am Schienenende über die erwähnte Zwischenander, während sie mit der Schiene (Tibia) nach hinten "tritt".
Familie Acrididae · Unterfamilie Gomphocerinae
Die Grashüpfer schließlich besitzen eine gezähnte Leiste auf den Innenseiten der Hinterschenkel, die über den vorstehenden Radius der Vorderflügel streicht; die dachförmig aufgestellten Flügel verstärken den erzeugten Laut als Resonanzboden.

Einige Feldheuschrecken (Psophus stridulus, Bryodema tuberculata, Arcyptera fusca, Stauroderus scalaris) erzeugen ein schnarrendes oder (im Falle von Psophus) klapperndes Fluggeräusch. Auf den Hinterflügeln der im Fluge schnarrenden Arten ist jede zweite Längsader auffällig verstärkt; möglicherweise entsteht das Flüggeräusch durch das Schwingen der Flügelfedern zwischen diesen Längsadern.

Gesangstypen und -funktionen

Das Stridulieren der Heuschrecken kann ähnliche Funktionen ausüben wie die Gesänge der Vögel:

Nicht alle Arten jedoch singen gleichermaßen variantenreich, und die Weibchen singen entweder leiser oder seltener oder überhaupt nicht. Die meisten Langfühlerschrecken (Ensifera) lassen ein nur monotones Stridulieren hören, das meist mit zunehmender Temperatur schneller wird. Zu den wenigen Ausnahmen gehört die Feldgrille, deren Gesangstypen alle vier der oben angeführten Funktionen aufweisen.
    Die vielen Menschen vertrauten kurzfühligen Grashüpfer (Caelifera · Acrididae · Gomphocerinae) weisen ähnlich differenzierte Gesänge auf; Kämpfe unter Männchen werden hier immer nur stridulierend ausgetragen. Die Balzgesänge bestehen jeweils aus einer festen mehrteiligen Reaktionskette, deren einzelne Glieder an bestimmte Verhaltensweisen des Männchens bzw. Weibchens gebunden sind: Zur gegenseitigen Stimulierung und schließlich Paarung kommt es nur, wenn diese Kette nicht unterbrochen wird.

Heuschrecken lassen sich anhand ihrer Gesänge gut unterscheiden. Dafür gibt es – ähnlich wie für Vogelstimmen – eine Tonbandkassette "Stimmen der heimischen Heuschrecken" von Heiko Bellmann (Literatur etc.); die Sonogramme in seinem Bestimmungsführer sind dem Fachmann ein weiteres wichtiges Hilfsmittel.


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